Solidarität mit Israel war für ihn eine Selbstverständlichkeit – zum Tode von Dr. Hans-Jochen Vogel

Der ehemalige Münchner Bürgermeister, Berliner Regierender Bürgermeister, Bundesminister sowie sozialdemokratischer Bundestagsfraktions- und Parteivorsitzender Hans-Jochen Vogel ist am 26.07.2020 im Alter von 94 Jahren verstorben.

Mit Hans-Jochen Vogel verliert unser Land nicht nur einen ihrer prägendsten und über alle Parteigrenzen hinweg anerkannten und verehrten Nachkriegspolitiker, sondern auch eine große Persönlichkeit, die vielen Menschen bis in die heutige Generation als Vorbild gilt.

Bereits ein Jahr nach Gründung der Bundesrepublik wurde er Sozialdemokrat und zog damit die Konsequenz aus den bitteren Erfahrungen der Nazi-Diktatur, des Holocaust und des Vernichtungskrieges mit millionenfachen Opfern. Für ihn war es eine zentrale Lebensaufgabe, für ein neues, friedliebendes und zutiefst demokratisches Deutschland zu arbeiten. Dies hat er in beeindruckender Weise in seinen vielen herausgehobenen politischen Funktionen unter Beweis gestellt. Mit seiner herausragenden juristischen Begabung, seinem Durchsetzungsvermögen und seiner eisernen Beharrlichkeit realisierte er nicht nur in seiner Heimatstadt München, sondern auch später als Bundesminister viele Projekte, die mit seinem Namen untrennbar verbunden sind.

Nachdem es Hans-Jochen Vogel gelungen war, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen, gehörte das Attentat des palästinensischen Mordkommandos auf israelische Sportler und der gescheiterte Befreiungsversuch zu den bittersten Erfahrungen seines gesamten politischen Lebens. Vogel war es auch, der die toten und schwer verletzten Sportler nach Israel begleitete.

Was Hans-Jochen Vogel Zeit seines Lebens antrieb und was für ihn quasi als selbstgestellte Pflichtaufgabe über allen tagespolitischen Herausforderungen stand, das waren seine tief verwurzelten christlichen Grundüberzeugungen, die sich ebenso in der biblischen Bergpredigt, wie auch im Grundgesetz widerspiegeln. Für ihn war der erste Artikel unserer Verfassung, nach der die Würde des Menschen unantastbar ist, gleichzeitig der wichtigste.

Schon sehr früh bekannte sich Hans-Jochen Vogel zur historischen Schuld der Deutschen und der sich daraus ergebenden bleibenden Verantwortung für die jüdischen Menschen bei uns und in der Welt; insbesondere auch in Israel. Er gehörte zu den Frauen und Männern der ersten Stunde, die sich nach Gründung des Staates Israel für eine Annäherung der beiden Staaten einsetzten. Hans-Jochen Vogel zählt auch zu den Gründungsmitgliedern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft im Jahre 1966, und er gehörte dem ersten Kuratorium der DIG an. Später wurde er dann Gründungsmitglied von AMCHA Deutschland und war bis zuletzt Mitglied im dortigen Ehrenrat. Ebenso engagierte er sich als Gründungsvorsitzender des Vereins Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. und im Kuratoriumsvorstand des NS-Dokumentationszentrums München.

Das jahrzehntelange Engagement Hans-Jochen Vogels für die christlich-jüdische und die deutsch-israelische Versöhnungsarbeit wurde mit zahlreichen Ehrungen bedacht, wie dem Heinz-Galinski-Preis, dem Leo-Baeck-Preis, dem Max-Friedlaender-Preis und der OhelJakob-Medaille, um nur die wichtigsten Ehrungen zu nennen. Altbundespräsident Joachim Gauck erklärte anlässlich einer Würdigung: „Solidarität mit Israel war und ist für Hans-Jochen Vogel eine Selbstverständlichkeit. Und genauso war immer sein leidenschaftliches Eintreten gegen jeden Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus fest, unbeirrbar und selbstverständlich.“

Hans-Jochen Vogel hat sich nicht nur um sein Land in besonderer Weise verdient gemacht. Viele Menschen in Deutschland, Israel und darüber hinaus trauern um diesen aufrechten, ehrlichen und oftmals unerbittlichen Kämpfer für Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität. Die Sozialdemokratie trauert um eine ihrer glaubwürdigsten und beispielgebenden Führungspersönlichkeiten und unser ganzes Land um einen großartigen Politiker und wunderbaren Menschen.

Als Deutsch-Israelische Gesellschaft verneigen wir uns vor Hans-Jochen Vogel in tiefer Dankbarkeit.

Reinhold Robbe
Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft a.D.

Berlin, den 28. Juli 2020