11./12. November 2017, Baden-Baden
FORDERUNGEN AN BUNDESTAG UND BUNDESREGIERUNG
1. Es bleibt die Kernaufgabe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, das Verhältnis zwischen Deutschen und Israelis, das Verhältnis unserer Gesellschaft zur jüdischen Gemeinschaft in Deutschland positiv und zukunftsfähig zu gestalten. Die Wahlen zum Deutschen Bundestag mit dem Einzug der AfD machen es daher umso dringlicher, dass wir unsere Erwartungen und Forderungen an den neu gewählten Bundestag und die zu bildende Regierungskoalition erneut formulieren und vertreten.
2. Wir erwarten von Bundestag und Bundesregierung einen intensiven Einsatz unter der Prämisse der deutschen Staatsräson für das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel – aus historischer Verantwortung ebenso wie aus der Erkenntnis, dass unsere Gesellschaften auf den gleichen Grundsätzen beruhen – Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat. Das bedeutet auch weiterhin das Eintreten für eine Lösung im Nahen Osten, die Juden und Arabern das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Frieden und Freiheit zuerkennt und dabei die berechtigten und lebensnotwendigen Sicherheitsinteressen Israels berücksichtigt.
3. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Zuwendungen Deutschlands an die Palästinensische Autonomiebehörde über die EU und die UN endlich strikt zu kontrollieren und an die Bedingung zu knüpfen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde nicht weiter Terroristen und ihre Familien mit hohen Summen unterstützt und die jungen Menschen im palästinensischen Schulwesen nicht weiter zu Hass und Aggression erzogen werden.
4. Wir halten es für unbedingt notwendig, dass die Bundesrepublik Deutschland noch entschiedener gegen den Missbrauch der UN und ihrer Unterorganisationen wie z.B. der UNESCO auftritt, deren Mehrheiten gegenwärtig einseitig und mit doppeltem Standard Israel anklagen und die jüdische Geschichte, etwa in Jerusalem und Hebron, in absurder Weise
verleugnen.
5. Wir erneuern unsere Forderung nach Einrichtung eines deutsch-israelischen Jugendwerkes, das den Austausch von Jugendlichen beider Länder auf breiter und verlässlicher Basis organisieren und unterstützen kann.
6. Bundestag und Bundesregierung müssen den Antisemitismus, auch in neuen, auf Israel bezogenen Formen, ernst nehmen und daher u.a. die zentralen Forderungen der „Unabhängigen Expertenkommission Antisemitismus“ von 2017 umsetzen: Berufung einer/s Antisemitismusbeauftragten beim Bund; Einrichtung einer ständigen Bund-Länder-Kommission; konsequente Erfassung, Veröffentlichung und Ahndung antisemitischer Straftaten;
verstärkte und dauerhafte Förderung von Trägern der Antisemitismusprävention, vor allem im pädagogischen Bereich; Forschung über gegenwartsbezogene Formen des Antisemitismus unter Einbeziehung der Perspektiven der jüdischen Gemeinschaften.
7. Die Bundesregierung hat die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA) kurz vor der Wahl als Grundlage und Maßstab angenommen. Sie lautet: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die im Hass auf Juden Ausdruck finden kann. Rhetorische und physische Manifestationen von Antisemitismus richten sich gegen jüdische oder nichtjüdische Individuen und/oder ihr Eigentum, gegen Institutionen jüdischer Gemeinden und religiöse Einrichtungen.“ Der Bundestag muss diese Arbeitsdefinition wie bereits das Europäische Parlament zur Grundlage seiner Arbeit machen.
8. Wir erwarten eine klare und eindeutige Abwehr aller Versuche, Israel mit einem Boykott von Waren, Investitionen sowie kulturellem und wissenschaftlichem Austausch zu überziehen; das gilt besonders für die sogenannte BDS-Bewegung („Boykott, De-Investitionen, Sanktionen“). Jede staatliche Unterstützung für diese Boykottbewegungen muss ausgeschlossen sein, insbesondere auch die Förderung von Organisationen, die die BDS unterstützen.
9. Unsere Verantwortung gegenüber den Juden in Deutschland muss ernst genommen werden; sie müssen geschützt und ihre Religion, Kultur und Einrichtungen gefördert werden. Dazu gehört auch der soziale Schutz – so muss die Diskriminierung der jüdischen Zuwanderer gegenüber
„Auslandsdeutschen“ in Rentenfragen beendet werden.
10. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft wird in diesem Sinne alles tun, um die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Parlament und Regierung fortzusetzen. Das gilt vor allem im kommenden Jahr 2018, in dem wir dem Staat Israel und seinen Menschen zu seinem 70. Geburtstag gratulieren wollen und das Land mit streitlustiger Demokratie, gelebter Vielfalt, lebendiger Innovationskraft, tiefer Geschichte und überwältigender Natur noch bekannter machen wollen.
STELLUNGNAHME DER DIG ZUM GEBAREN DER REGIERUNG DES IRAN
Aus gegebenem Anlass fordert die Deutsch Israelische Gesellschaft die Bundesregierung dazu auf:
– sich für die konsequente Durchsetzung der im Atomabkommen mit dem Iran vorgesehenen Auflagen zu verwenden
– erneute Verhandlungen mit der iranischen Regierung anzustreben, deren Ziel sein muss, zu verhindern, dass nach dem vertraglich vereinbarten Auslaufen internationaler Überwachung die iranische Regierung nicht erneut die Herstellung atomarer Waffen betreibt
– Wiederaufnahme und Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen unmissverständlich an folgende Bedingungen zu knüpfen: (1) die Anerkennung des Existenzrechtes des Staates Israel und (2) die Beendigung der geopolitischen Destabilisierung in der Region des Mittleren Ostens, also die Einstellung jedweder Unterstützung von Terrororganisationen wie ‘Hamas’ und ‘Hizbollah’, sowie den Rückzug der iranischen Revolutionsgarden, einschließlich ihrer Militärberater, aus dem Libanon und Syrien.
Die gegenwärtige iranische Regierung propagiert in aller Öffentlichkeit die Zerstörung des demokratischen Rechtsstaates Israel. Bei Militärparaden werden Raketen gezeigt, deren Zerstörungsziele – Orte in Israel – in hebräischer Sprache auf Sprengköpfen notiert sind. Es muss davon ausgegangen werden, dass das gegenwärtige theokratische Regime in Teheran sein Ziel, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen, nicht wirklich aufgegeben hat. Es besteht die reale Gefahr, dass nach dem Auslaufen der im Atomabkommen vereinbarten Fristen das atomare Bewaffnungsprogramm seitens Teheran wieder aufgenommen wird.
Bedauerlicherweise waren das Raketenprogramm sowie die zu beobachtende Destabilisierung des Mittleren Ostens durch die Finanzierung und operative Unterstützung von Terrororganisationen nicht Gegenstand des Abkommens mit der iranischen Regierung.
Seit Jahren finanziert das iranische Regime Terrororganisationen, die den Libanon, Syrien, Irak und Jemen destabilisieren, Durch die Präsenz der ‘Hizbollah’ im Norden, der iranischen ‘Revolutionsgarden’ im Nordosten und der ‘Hamas’ im Südwesten wird Israels Sicherheit kontinuierlich und offen bedroht. Die Terrororganisation ‘Hizbollah’ hat nördlich der libanesisch-israelischen Grenze ca. 100 000 Raketen stationiert, die nahezu jede Region Israels bis in den Süden des Landes bedrohen.
Es ist außerdem immer wieder darauf hinzuweisen, dass iranische Geheimdienste ihren Aktionsradius bis nach Deutschland und anderen europäischen Ländern ausdehnen. So hat bekanntlich der iranische Geheimdienst durch Agententätigkeit einen früheren Präsidenten der Deutsch Israelischen Gesellschaft ausspioniert, was die Möglichkeit eines geplanten Mordanschlages impliziert.
Die genannten Forderungen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft richten sich nicht gegen die iranische Bevölkerung, die selbst unter der theokratischen Repression des Regimes leidet und der sich die freie Welt solidarisch verbunden fühlt. Der DIG geht es darum, auf das reale Gefährdungspotential für Israel und die Welt zu verweisen, das durch das aggressive Gebaren der iranischen Regierung gegeben ist und die Bundesregierung nachdrücklich dazu aufzufordern, auf außenpolitischer Ebene hierauf angemessen zu reagieren.
Hierbei muss die deutsche Verbundenheit mit dem Staat Israel stets klar artikuliert werden.
KEINE ZUSAMMENARBEIT MIT RECHTSEXTREMISTEN, ANTIZIONISTEN UND IHREN DULDERN
Als Resultat der Bundestagswahl vom 24. September 2017 besteht das deutsche Parlament zu knapp einem Viertel aus Mitgliedern politisch randständiger Parteien. Für die Deutsch-Israelische Gesellschaft stellt dies eine besondere Herausforderung dar, denn traditionell werden bei uns Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien ins Präsidium eingebunden. Es ist Zeit, diesen Brauch zu hinterfragen und unser Profil auch parteipolitisch zugunsten der unzweifelhaft demokratischen Fraktionen zu schärfen.
Mit der AfD stellt nun eine Partei die drittstärkste Fraktion, deren Mitglieder und Führungskräfte immer wieder das Geschichtsbild der Bundesrepublik ablehnen. 20 Jahre, nachdem die Wehrmachtsausstellung die ethische Grundausrichtung Deutschlands nachhaltig und positiv geschärft hat, relativiert AfD-Fraktionschef Alexander Gauland die verbrecherische Rolle der Wehrmacht im 2. Weltkrieg und in der Shoah. Für die Deutsch-Israelische Gesellschaft, die sich dem Kampf gegen Antisemitismus verschrieben hat, ist diese Position unerträglich und indiskutabel.
Die bürgerlichen Kräfte in der AfD, die den offenen Rechtsextremismus (etwa in den ostdeutschen Landesverbänden) eindämmen wollen, werden sichtbar schwächer. Darüber hinaus kann ihnen der Vorwurf nicht erspart bleiben, dass sie gegenüber den braunen Strömungen in der Partei eine falsche Duldsamkeit an den Tag legen. Dass die AfD nach zwei deutlichen Rechtsverschiebungen ins demokratische Lager findet, ist nicht zu erwarten.
Es ist freilich festzustellen, dass sich auch am linken Rand des politischen Spektrums immer wieder Positionen finden, die für die Deutsch-Israelische Gesellschaft unerträglich sind. Gerade in den westlichen Landesverbänden der Linkspartei gehört eine antizionistische Grundausrichtung zum guten Ton. Viele Mandats- und Funktionsträger sympathisieren mit PFLP und Hamas oder unterstützen die antisemitische BDS-Bewegung. Die Beispiele für offenen oder chiffrierten Antisemitismus in der Linkspartei sind Legion. Immerhin ernten diese Personen und Gruppen innerparteilich Widerspruch, doch solange ihre grundsätzliche Verortung als Teil der Linkspartei auch von den demokratischen Kräften nicht in Frage gestellt wird,
ist die Linkspartei kein Partner für die DIG.
Voraussetzung für eine Zusammenarbeit wäre überdies ein Bekenntnis zur Schuld der SED, als Teil des antizionistischen (Ost-)Blocks mehrere Kriege gegen Israel unterstützt zu haben. Dieses Erbe lastet auf der Linkspartei. Schlimmer noch: Es wird bis heute tradiert.
Auch in unzweifelhaft demokratischen Parteien bleiben antizionistische Positionen nicht selten unwidersprochen. Laute Kritik, etwa an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Feinden Israels, hört man selten. Im Gegenteil – nach Abschluss des Atom-Abkommens mit dem Iran etwa konnten es zahlreiche Minister aus SPD und Union kaum erwarten, in Teheran ihren Diener zu machen. In den vergangenen Monaten fand selbst auf Bundesministerebene eine beschämende Profilierung auf Kosten Israels statt. Innerparteiliche Kritik daran war nicht zu
vernehmen.
Umso wichtiger ist hier künftig die Stimme der Funktions- und Mandatsträger im Präsidium der DIG, von denen wir künftig deutliche und wahrnehmbare Kritikbereitschaft erwarten – gerade gegenüber eigenen Parteifreunden.
PETITUM
Die Hauptversammlung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft am 11 und 12. November 2017 beschließt:
1. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft schließt jede Zusammenarbeit mit Parteien aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum aus. Dies gilt explizit auch für die AfD.
2. Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ist für die Deutsch-Israelische Gesellschaft zwar langfristig denkbar, aber bis auf weiteres hochproblematisch. Voraussetzung dafür ist die eindeutige Distanzierung von Antizionismus und der antisemitischen BDS-Bewegung, sowie das Bekenntnis zur Schuld der SED, die mehrere Kriege gegen Israel unterstützt hat.
3. Alle in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft aktiven politischen Funktions- und Mandatsträger sind aufgerufen, in ihren Parteien und Fraktionen aktiv und entschieden gegen israelfeindliche Politik einzutreten.