18. September 2016
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hat im vergangenen Jahr, gemeinsam mit den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und Israels und vielen Freunden und Partnern, das 50. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen beider Staaten gefeiert. Die Ausstellung „Israelis & Deutsche“, die in Berlin und Tel Aviv eröffnet und bislang in weiteren drei israelischen und acht deutschen Städten gezeigt wurde, hat die Weite und Tiefe der gesellschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Völkern dargelegt – von der Wirtschaft über die Städtepartnerschaften bis zur Kultur. Die Vielfalt der Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaften aus diesem Anlass hat gezeigt, dass die Deutsch-Israelische Gesellschaft auch im Jahr ihres 50. Geburtstages die Organisation ist, die die deutsch-israelische Freundschaft in all ihren Facetten mit Erfolg lebt und weiterentwickelt.
Die Ereignisse und Diskussionen des vergangenen Jahres haben gleichzeitig deutlich gemacht, dass keine Zeit zum Ausruhen und Zurücklehnen ist. Dies gilt für die objektive Situation Israels inmitten einer arabischen Umgebung, die in Flammen steht; für die andauernde aggressive Haltung des Iran gegen Israel und seiner Unterstützung für Hisbollah und Hamas; und für die alten und neuen hassgetriebenen Formen palästinensischen Terrors gegen israelische Bürgerinnen und Bürger. Dies gilt aber auch für das Verhältnis der deutschen Gesellschaft und Politik gegenüber Israels: während die Sympathie und das Ansehen Deutschlands in Israel kontinuierlich gewachsen ist, hat das Verständnis in Deutschland für die Situation und die Politik Israels umgekehrt abgenommen, bis hin zur öffentlicher Boykottpropaganda und Antisemitismus im Gewand der „Israelkritik“.
Die Aufgaben einer Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die überparteilich Verbindungen knüpft, den Dialog mit unterschiedlichen Partnern, Entscheidungsträgern, auch Zweiflern sucht und die Feinde Israels öffentlich stellt, sind deshalb im 50. Jahr unseres Bestehens nicht kleiner, sondern größer und dringlicher geworden.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft nimmt nicht teil an innerisraelischen Auseinandersetzungen. Wir sind überzeugt von der Lebendigkeit und Kraft dieser einzigen Demokratie im Nahen Osten und treten aus geschichtlicher Verantwortung und eigenem Interesse für sie ein. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Vielfalt der israelischen Debatten auch in Deutschland sichtbar zu machen. Wir lassen uns dabei von der Grundüberzeugung leiten, dass der Beschluss der Vereinten Nationen von 1947, zwei Staaten zu bilden, die richtige Lösung war und ist. Alle Beteiligten müssen ihren Teil zu dieser Lösung beitragen; aber Realität kann ein zweiter, palästinensischer Staat nur werden, wenn die arabische Welt das Existenzrecht Israels nicht länger verneint, sondern anerkennt, und wenn die Sicherheit der israelischen Bürgerinnen und Bürger gewährleistet ist.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft unterstützt auf dem Weg dahin diplomatische Bemühungen Deutschlands und der EU, die Bedingungen für Verhandlungen zu verbessern. Aber wir sind überzeugt davon, dass ein tragfähiger Frieden nur durch direkte Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde erarbeitet werden kann. Eine einseitige „Anerkennung“ eines nicht existenten palästinensischen Staates lehnen wir ab, da sie die palästinensische Führung nur darin bestärken würde, weiter den Weg der Konfrontation und nicht der Verhandlungen zu gehen. Wir bestärken die Bundesregierung darin, diese Haltung in den internationalen Gremien weiter zu vertreten.
Das „Atomabkommen“ mit dem Iran ist nun abgeschlossen. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft weist weiterhin auf die berechtigten Sorgen und Befürchtungen Israels und anderer in der Region hin, dass damit dem Iran der Weg zur Atombombe geebnet sein könnte. Wir fordern die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft auf, auf die strikte Einhaltung der Auflagen und Kontrollen zu achten, ohne die eine Aufhebung von Beschränkungen nicht vorgenommen werden darf. Wir halten es weiterhin für unabdingbar, dass der Iran vor einer Normalisierung der Beziehungen auf die aggressive Negierung des Staates Israel in Wort und Tat verzichtet. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert die Bundesregierung auf, auch weiterhin von Einladungen an den iranischen Präsidenten abzusehen.
In Deutschland wird Hass gegen Juden wieder in aller Öffentlichkeit geäußert. Antisemitismus muss in aller Deutlichkeit benannt und verurteilt werden – in welcher Form dieser auch immer stattfindet. Bei Migranten aus islamisch geprägten Ländern ist ein Antisemitismus verbreitet, der sich mit dortigen – auch staatlichen – Massenmedien auch hier ausbreiten kann. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hat daher Verständnis für die Sorgen der Jüdischen Gemeinden in Deutschland und in anderen europäischen Ländern; sie fordert die Bundesregierung, die Länder und Kommunen auf, bei der gesellschaftlichen Integration der Migranten und Flüchtlinge vermehrt auf die Vermittlung unserer Werte und unseres Geschichtsverständnissen Gewicht zu legen, aber auch insgesamt die politische Bildung zu stärken. Das ist gleichzeitig unsere gemeinsame Aufgabe und Verantwortung als Zivilgesellschaft.
Der Antisemitismus ist jedoch wahrlich kein Problem, das jetzt von außen zu uns kommt. In vielen Teilen der deutschen Gesellschaft ist die Distanz zu Israel gewachsen, zeigt sich der alte Antisemitismus auch bei neu erstarkenden Rechts- und Linkspopulisten und steigert sich die „Israelkritik“ zur Boykottpropaganda gegen Israel. Diese Boykottbewegung versucht die Anforderung der EU, über die Herkunft von Waren zu informieren, für einen generellen Boykottaufruf von Waren zu nutzen und landet schließlich immer bei der grundsätzlichen Aufforderung „Kauft nicht bei Israelis“. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft wird dem Versuch der BDS-Bewegung, auch in Deutschland Fuß zu fassen, entschieden entgegen treten. Diese Bewegung will die Legitimität des Staates Israel selbst zerstören, den Austausch gerade von Wissenschaft und Kultur unterbinden und Hass säen. Nicht zuletzt schadet sie unmittelbar der palästinensischen Wirtschaft. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert alle staatlichen Stellen auf, sich eindeutig gegen die BDS-Kampagne zu erklären und ihr jede Unterstützung zu verweigern.
Die jüngsten Empfehlungen der Deutsch-Israelischen Schulkommission haben gezeigt, dass es immer noch erhebliche Mängel bei der Darstellung der deutsch-jüdischen Geschichte, des israelisch-palästinensischen Konflikts und vor allem Israels in deutschen Schulbüchern gibt. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert die Verantwortlichen in den Ländern und den Verlagen auf, diese Mängel endlich zu beheben.
Im kommenden Jahr 2017 wird verstärkt an den Sechstagekrieg 1967 erinnert werden, mit dem Israel den Versuch der arabischen Staaten, die jüdische Staatsgründung rückgängig zu machen, vereitelt hat. Der militärische Erfolg und die daraus folgende Besetzung weiterer Teile des früheren Mandatsgebietes Palästina, die zuvor die arabischen Nachbarn okkupiert hatten, wird ebenso in den Fokus gerückt werden wie die Weigerung dieser Staaten, Frieden zu schließen. Und auch die wechselhafte und widersprüchliche Geschichte der besetzten Gebiete, der jüdischen Siedlungen und der Versuche, doch zu einem Frieden zu kommen, wird in der Öffentlichkeit erneut diskutiert werden. Dieser Jahrestag wird erneut in Deutschland zu einer grundsätzlichen Debatte über die Politik Israels führen, im Kern über die Verantwortung für den Krieg, die Besatzung und die Folgen für die israelische und die palästinensische Gesellschaft. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft wird sich mit Fakten, einem klaren Standpunkt und mit Empathie für die Menschen an dieser notwendigen Diskussion beteiligen.