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Erinnerungskultur im Gespräch – Herausforderungen im Gedenken

9. Februar 2022 @ 19:00 - 20:30

Eine VA von JUFO LEIPZIG.
Moderiertes Gespräch mit Nora Pester, Felicitas Kübler und Ella Falldorf – im Live-Stream auf Facebook.
Den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken ist fester Bestandteil des staatlichen Erinnerungskalenders. Insbesondere am 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome, wird in unzähligen Städten und Kommunen der systematischen Entrechtung und Verfolgung der deutschen Jüdinnen und Juden gedacht.
Dabei hinterlassen diese Veranstaltungen bei den Teilnehmer:innen oftmals ein Unbehagen, welches sich nicht nur aus der Sache speist – dem Gedenken an Entrechtung, Deportation und Mord –, sondern auch aus der Form des Gedenkens.
Das Leipziger Gedenken des vergangenen 9. Novembers hat einige Schwierigkeiten offenbart, die wir für bedenkenswert halten und die wir dieser Diskussion als fragende Ausgangspunkte mitgeben möchten:
1. So veröffentlichte der VVN-BdA am 3. November einen Offenen Brief an Oberbürgermeister Jung mit der Aufforderung, nicht mehr mit der AfD zu gedenken, die zu diesem städtischen Gedenken, wie alle Fraktionen des Stadtrats, eingeladen wurde. Am 9. November selbst wurde während der Gedenkveranstaltung ein Transparent („Kein Gedenken mit der AfD“) gezeigt. Diese Forderung wirft einerseits die Frage auf, wer überhaupt wem gedenkt und wer entscheidet, wer mitgedenkt? Welche Funktion erfüllen öffentliche Gedenken und für wen?
Allgemein wirft sie die Frage auf, welches Potential öffentlichen Gedenken überhaupt bleibt, wenn sich ausnahmslos alle darunter vereinen können, nicht mal wahlweise Rassist:innen, Antisemit:innen oder Geschichtsleugnende vom Geschehen ausgeschlossen werden können? Oder andersherum: Wie kann der politischen Realität (in Sachsen) angemessen Rechnung getragen werden?
2. Öffentliche Gedenken sind immer auch verknüpft mit politischen Botschaften und Mahnungen. Dabei besteht einerseits die Gefahr, den historischen Bezug für vorschnelle Parallelisierungen nutzbar zu machen und andererseits, ohne spezifische Analyse einzelner Anlässe Schubladenreden zu halten.
Wie kann sichergestellt werden, dass Gedenken nicht im luftleeren Raum ein historisch-abstraktes Ereignis erinnert, sondern Bezüge zum Heute herstellt, ohne dabei in (parteipolitische) Instrumentalisierung zu verfallen?
Zudem klafft eine enorme Lücke zwischen den Worten vieler Gedenkreden und dem mühsamen tatsächlichen Kampf gegen Antisemitismus. Wie lässt sich diese Lücke begreifbar machen, die besteht zwischen den holden Absichten vieler Gedenkreden und gegenwärtigem Antisemitismus? Wieso dauert der Ausbau von Meldestrukturen für antisemitische Vorfälle immer noch an? Und nach dem Anschlag in Halle sollte man fragen: Sind denn immerhin heute Synagogen in Deutschland (ausreichend) polizeilich geschützt?
3. Mit Trude Simonsohn ist Anfang des Jahres eine der letzten Auschwitzüberlebenden gestorben. Erinnern und Gedenken werden sich ohne unmittelbare Opfer des Nationalsozialismus weiter verändern. Erinnerung an die Shoa wird nicht mehr lebhaft-biographisch vermittelt werden können, sondern aus zweiter Hand. Die damit verbundenen Herausforderungen sind noch nicht abzusehen. Zu befürchten ist, dass das Leipziger Gedenken vom 9. November 2021 Schule macht insofern, als dass völlig vom konkreten Bezug – den Novemberpogromen – entkoppelt, Kalendersprüche über Menschlichkeit, Dialog und Miteinander die Zeugnisse der Opfer ersetzen.
Mit dem baldigen Ableben der letzten Holocaustüberlebenden scheint zudem das Konkurrieren anderer kollektiver Gewaltverbrechen um einen adäquaten Platz im öffentlichen Gedenken einherzugehen. Welche gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse müssen hier vorangetrieben werden oder sind längst in Gang? Welche müssen uns Sorgen bereiten?
Unsere Gäste:
Ella Falldorf hat Kunstgeschichte, Soziologie und Holocaust Studies in Jena und Haifa studiert. Aktuell promoviert sie über Kunstwerke, die im KZ Buchenwald entstanden sind. Seit Januar 2022 ist Ella Falldorf freiberuflich als Redakteurin für Erinnerungskultur der Stadt Leipzig tätig.
Nora Pester ist promovierte Politikwissenschaftlerin und hat als Inhaberin des Leipziger Verlags Hentrich & Hentrich zahlreiche Bücher zu Shoa, Gedenken und Erinnerungskultur verlegt. Seit 2019 ist sie Vorstand von Netzwerk Jüdisches Leben e. V. und Kultursenatorin der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.
Felicitas Kübler arbeitet und promoviert am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Klagenfurt. Sie setzt sich mit dem politischen Implikationen von Erinnerungsorten auseinander und hat in diesem Kontext auch zur Erinnerung an die Shoah in Deutschland gearbeitet.
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Diese Veranstaltung findet in Kooperation mit dem RPJ Sachsen e.V. statt. Sie wird mitfinanziert auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts.

Details

Datum:
9. Februar 2022
Zeit:
19:00 - 20:30
Veranstaltungskategorie:

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Veranstalter

Junges Forum DIG Leipzig
Jusos Leipzig